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FH_03_2013

Foto: privat  MANAGEMENT Herr Rinke, was sind die wichtigsten Eigen-schaften für einen Filialisten? Er muss bereit sein, Verantwortung zu über-tragen und Aufgaben und Ziele zu delegieren. Vor allem auch weiche Ziele, z. B. Frische oder Freundlichkeit gehören dazu. Wenn man alles andere richtig macht, passt zum Schluss auch die Wirtschaftlichkeit. Wenn bei einem Filialisten die Wirtschaftlich-keit nicht passt, wo soll er dann ansetzen? Immer in der Filiale vor Ort. Denn die Ergeb-nisse der Filiale werden immer dort, nicht in der Zentrale erwirtschaftet. Manche haben zwar Filialen, sehen aber alles immer noch als ein Unternehmen – genau das ist falsch. Jede Filiale muss ein Profitcenter sein und für sich alleine gut dastehen. Das ist für viele schwierig, denn es wird oft Ware und Personal von einer Filiale zur ande-ren „geschoben“ … Und genau das ist falsch. Jede Filiale braucht ihr Personal und muss mit diesen Personalkos-ten belastet werden. Und natürlich genauso mit Ware. Filialen werden wie externe Kunden be- und entlastet. Filialführung verlangt also vor allem Filialkon-trolle. Was muss außer den Einnahmen noch kontrolliert werden? Etwa der Krankenstand. Krankenstände soll-ten genau so erfasst und bewertet werden, wie Warenlieferungen und Umsätze. Wenn der Krankenstand zu hoch ist und dadurch die VERANTWORTUNG ABGEBEN UND DELEGIEREN Edgar Rinke hat in 25 Jahren den zweitgrößten deutschen Fleischerei-Filialisten aufgebaut und zum Erfolg geführt. Er war Chef von 100 Filialen. Seit Januar 2013 ist er als freier Berater tätig. Im Gespräch mit Fritz Gempel beschreibt er, worauf es beim Filialerfolg ankommt. Personalkosten steigen, ist das ein Alarmsignal. Dann muss man die Filiale genau anschauen und das Problem vor Ort lösen. Häufig sind die Ursachen unzufriedene Mitarbeiter oder ein ungutes Betriebsklima. Darf eine Filiale selbst einkaufen? Davon rate ich ab. Der Filialist sollte immer zen-trale Beschaffung einführen. Einkauf ist meist das erste, was wir zentralisieren. Benötigt ein Fleischer-Filialist eine eigene Produktion? Ich habe über viele Jahre mit dem Prinzip der eigenen Produktion gute Erfahrungen ge-macht. Damit der Fleischer-Filialist glaubwür-dig ist, muss der Schornstein rauchen. Was nicht selbst produziert werden soll, kann als Auftragsproduktion vergeben werden – das ist besser als von irgendwoher zukaufen. Wie nutzt ein Filialist seine Einkaufsmacht am besten? Mit dem Wachstum des Filialisten wachsen sein Einkaufsvolumen und seine Einkaufsmacht. Es spart viel Geld, den Einkauf auf wenige Liefe-ranten zu bündeln. Dazu müssen wir als Kunde genau sagen, welche Qualitäten wir haben und was wir bezahlen wollen. Wenn der Lieferant planbare Mengen und Umsätze erhält, kann er auch günstigere Preise geben. Suche ich als Filialist zuerst den Filialstandort oder das Filialteam? Nach wie vor suche ich zuerst den Standort und dann die Mitarbeiter. Aber die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern ist wesentlich schwieriger geworden. Benötigt ein Fleischerei-Filialist immer Fach-leute oder kann man den Fleisch- und Wurst-verkauf auch anlernen? Für wenige gewisse Sachen brauchen wir die Fachleute. Aber generell gilt: Die Mitarbeiter müssen sauber aussehen, freundlich und auf-nahmebereit sein. Und dann müssen wir mit Führung, Motivation und Weiterbildung et-was draus machen. Für mich zählen Leistun-gen wie Leidenschaft und Begeisterung mehr als Fachwissen. Manchmal passen die Mitarbeiter in einer Filiale einfach nicht zusammen. Was dann? Die Gruppe in der Filiale muss passen. Oft ist es natürliches Gruppenverhalten, dass auf einem oder einer herumgehackt wird – ich nenne diese Mitarbeiter gerne die „Buuh-Äpfelchen“. Genau diese Mitarbeiter müssen am meisten gehegt und gepflegt werden. Denn wenn wir den gemobbten Mitarbeiter einfach heraus-nehmen, sucht sich die Gruppe meist ein ande-res „Buuh-Äpfelchen“. Wie lautet Ihr wichtigster Tipp bei der Filialsuche und Filialbewertung? Da hingehen, wo die Menschen sind, die ich in meinem Geschäft sehen will und wo die Men-schen sind, für die ich die richtigen Produkte habe. Fritz Gempel Vielen Dank für das Gespräch! 50 3/2013


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