Fünf Sekunden zu viel

Ftec_01_2017

Kanadische Forscher haben herausgefunden, dass die mikrobielle Kontamination von Lebensmitteln keine Frage der Zeit ist. Die sogenannte Fünf-Sekunden-Regel ist in vielen Ländern nach wie vor eine Orientierungshilfe für die Verwendbarkeit von Lebensmitteln. Sie besagt: Wenn ein Lebensmittel auf den Boden fällt, ist es noch essbar, wenn es nur schell genug auf-gehoben wird – in einem Zeitraum von maximal fünf Sekunden. Sie beruht auf der Annahme, dass die mikrobielle Kontamination eine Frage der Zeit ist. Inzwischen wurde die Fünf-Sekun-den- Regel allerdings von einem For-schungsteam unter der Leitung von Prof. Donald Schaffner, Lebensmit-telforscher an der School of Envi-ronmental and Biological Scien-ces der Rutgers University im kanadischen New Brunswick, überprüft und weitgehend widerlegt. „Weil die Regel so weit verbreitet ist, wollten wir sie wissenschaftlich durchleuchten“, er-klärte der Professor, der das Projekt gemeinsam mit der Studentin Robyn Miran-da leitete. FÜNF SEKUNDEN ZU VIEL... Das Team führte 2016 systema-tische Untersuchungen mit dem Darmbakterium Enterobacter aero-genes durch. Dabei wurden Böden aus Holz, Teppich, keramischen Fliesen und Edelstahl mit den Bak-terien kontaminiert. Vier Lebens-mittel setzten die Kanadier dafür ein: Wassermelonen, Brot, Butter-brot und gummiartige Süßigkeiten. Feuchtes Risiko Transferszenarien wurden für jeden Oberflächen- und Nahrungsmittel-typ untersucht, Kontaktzeiten und bakterielle Präparate bewertet. Insgesamt 128 Szenarien wurden 20 mal wiederholt, was 2.560 Messungen ergab. Nach der Über-tragung wurden die Oberflächen und die Lebensmittelproben auf Kontamination untersucht. Das Ergebnis: Kaum überraschend, hatte Wassermelone die intensivste Kontamination, gummiartige Sü-ßigkeiten waren am wenigsten belastet. „Die Übertragung der Bakterien von den Oberflächen auf die Lebensmittel scheint von der Feuchtigkeit abzuhängen“, deutet Prof. Schaffner das Ergeb-nis. „Bakterien haben keine Beine, sie ’schwimmen‘ mit der Feuchtig-keit, und je feuchter ein Nahrungs-mittel, desto höher das Risiko der Übertragung.“ Außerdem führten längere Lebensmittelkontaktzeiten meist zur Übertragung von mehr Bakterien von den Oberfläche auf die Nahrungsmittel. Eher unerwartet, hat Teppich sehr niedrige Übertragungswerte im Vergleich zu Fliesen und Edelstahl, die Ergebnisse bei Holz waren uneinheitlich. „Die Topographie der Oberflächen und Lebensmit-tel scheinen eine wichtige Rolle bei der bakteriellen Übertra-gung zu spielen“, vermutet der Lebensmittelforscher. Die Untersuchung zeigte, dass die Fünf-Sekunden-Regel „real“ nur in dem Sinne ist, dass eine längere Kontaktzeit zu mehr bakterieller Übertragung führt. Ansonsten zieht Donald Schaffner eine an-dere Bilanz: „Die Fünf-Sekunden- Regel ist eine signifikante Verein-fachung dessen, was tatsächlich passiert, wenn Bakterien von einer Oberfläche auf Nahrung übertra-gen werden. Denn Bakterien kön-nen sofort verunreinigen.“ Prof. G. Grundke/chb HYGIENE 48 2017 MIKROBIOLOGIE Fotos: Colourbox.de, © janecocoa – Fotolia.com


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