Page 41

Fleisch-Marketing_04_2017

Regionale Spezialitäten • Service & Bedienung schwieriger nachvollziehbar sind. Das ermöglicht betrügerische Machenschaften, wie der Nachweis nichtdeklarierten Pferdefleisches in Fertiglebensmitteln im Jahr 2013 beispielhaft verdeutlichte. Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung allein kann Betrug zwar nicht verhindern, aber Informationen über die Herkunft von Lebensmitteln schaffen Vertrauen. Der Begriff „Herkunft“ beschreibt, woher etwas im kulturellen, genetischen oder räumlichen Sinn kommt. Die Herkunft eines Lebensmittels im Sinne seines geografischen Ursprungs klar zu benennen ist schwierig, denn der Begriff ist unscharf. So finden heute in der Regel die einzelnen Schritte der Fleischgewinnung – von Geburt über Mast und Schlachtung bis zur Zerlegung – an mehreren Standorten statt. Und die einzelnen Zutaten zusammengesetzter Lebensmittel stammen nicht erst seit heute aus aller Herren Länder. Je mehr Zutaten und je mehr Schritte die Produktion eines Lebensmittels umfasst, desto schwieriger ist es, seine Herkunft eindeutig zu benennen. Angesichts gängiger Beschaffungs- und Produktionsmodalitäten erscheint es fraglich, ob mit einer einheitlichen, gesetzlich verbindlichen Herkunftskennzeichnung tatsächlich die gewünschte Transparenz am Markt erzielbar ist. Für einige Lebensmittelgruppen ist die Angabe ihrer Herkunft seit langer Zeit Pflicht, etwa für Rindfleisch sowie für Obst und Gemüse, Olivenöl oder Eier. Davon abgesehen steht es jedem Hersteller frei, eindeutige und richtige Angaben über die Herkunft seiner Erzeugnisse zu machen. Missverständliche Der Vorarlberger Lebensmittelhändler Jürgen Sutterlüty hat viel Erfolg mit einem umfassenden Regionalitätskonzept. und unwahre Informationen fallen grundsätzlich unter den Tatbestand der Irreführung und sind verboten. Das hat den europäischen Gesetzgeber jedoch nicht daran gehindert, Kennzeichnungsregelungen zu erlassen, die den Verbraucher täuschen könnten. So gibt es seit 1992 den gesetzli- chen Schutz der Bezeichnungen „geschützte geografische Angabe“ und „geschützte Ursprungsbezeichnung“. „Aufgrund der bestehenden Gepflogenheiten“ legte man zwei verschiedene Kategorien von geografischen Angaben fest: die geschützte geografischen Angabe („g. g. A.“) und die geschützte Ursprungsbezeichnung („g. U.“). Spezielles Renommee Um diese geschützten Bezeichnungen nutzen zu können, müssen Hersteller nachweisen, dass ein Zusammenhang zwischen den Eigenschaften und der geografischen Herkunft des Produkts besteht. Im Fall der „g. g. A“ muss sich dieser nicht über die gesamte Wertschöpfungskette erstrecken. Hier reicht ein Verarbeitungsschritt in dem genannten Gebiet. Der Schutz kann für Lebensmittel gelten, die dort ein spezielles Renommee genießen. Ein konkreter und objektiv messbarer geografischer Bezug zu Zusammensetzung und Herstellung ist nicht gefordert. Die „g. g. A.“ ist folglich nicht als Herkunftskennzeichnung im engeren Sinne zu verstehen. Anders ist das bei der „geschützte Ursprungsbezeichnung“. Sie wird nur für Produkte vergeben, die in einem bestimmten geografischen Gebiet nach einem anerkannten Verfahren erzeugt, hergestellt und verarbeitet wurden. Neun deutsche Produkte tragen bis dato die Angabe „geschützte Ursprungsbezeichnung“, 65 Produkte die Bezeichnung „geschützte geografische Angabe“, darunter der oft kritisierte „Schwarzwälder Schinken“, dessen Rohware nicht zwingend aus dem Schwarzwald stammen muss. Die Kritik verwundert angesichts der Bedeutung von Herkunftsangaben wenig. Heute gibt es unzählige Beispiele für Bezeichnungen, die als Hinweis auf die Herkunft verstanden werden könnten, aber traditionell verwandt werden und somit für eine bestimmte Rezeptur oder sonstige besondere Qualität eines Lebensmittels stehen. Die meisten davon sind den Verbrauchern so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie nicht als Herkunftsbezeichnung verstanden werden – beispielsweise Hamburger, Wiener Schnitzel oder Brie. Das „Frankfurter Würstchen“ ist jedoch eine echte Herkunftsangabe, wie der Zehnte Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin 1929 offiziell feststellte. Das Urteil wurde im Jahr 1955 vom BGH als rechtskräftig bestätigt. Einen Schutz als „g. U.“ genießt das „Frankfurter Würstchen“ nicht. „Nürnberger Rostbratwürstchen“ dagegen wurden 2003 von der EU-Kommission als „geschützte geografische Angabe“ registriert und damit in eine qualifizierte Herkunftsangabe zurückverwandelt. 4/2017 Fleisch-Marketing 41


Fleisch-Marketing_04_2017
To see the actual publication please follow the link above